Erkrankungen der Speiseröhre

Die Speiseröhre (lat. Ösophagus) ist ein Hohlorgan und verbindet den Schlund mit dem Magen. Ihre Aufgabe ist es die im Mund mechanisch zerkleinerten Speisen in den Magen zu befördern. Der Ösophagus besitzt mehrere Muskelschichten, die durch ein selbständiges Nervengeflecht, das direkt in der Wand sitzt, gesteuert werden. Die Bewegung der Speiseröhre erfolgt somit automatisch und unterliegt nicht der Willkür.

Funktionelle Störungen

Es gibt zahlreiche Bewegungsstörungen der Speiseröhre (Ösophagusmotilitätsstörung), die primär oder als Folge von anderen Erkrankungen vorkommen und sich sehr unangenehm bemerkbar machen: z.B. bei Jackhammeresophagus, Nutcrackeresophagus, Ösophagusspasmen. Hauptsymptome hierfür sind u.a. das Gefühl, dass ein Bissen stecken bleibt (Dysphagie), Schmerzen und Krämpfe hinter dem Brustbein, Globusgefühl (Knödel im Hals), Erbrechen, u.v.m. Neben Entzündungen über Keime (Viren, Pilze, Bakterien), über Reflux, der die Hauptursache einer Speiseröhrenentzündung darstellt, über die seltene eosinophile Ösophagitis (EoE) können Engstellen (entzündlich, über eine Systemerkrankung oder tumorös), ein Schatzkiring oder auch eine primäre oder sekundäre Ausweitung der Speiseröhre wie bei einer Achalasie ursächlich für eine Bewegungsstörung sein. Eine profunde Abklärung ist in jedem Fall sinnvoll, denn je früher eine Speiseröhrenerkrankung erkannt wird, desto besser ist sie behandelbar. Dies gilt auch für die Behandlung von Tumorerkrankungen in der Speiseröhre. Wenn ein Ösophaguskarzinom frühzeitig erkannt wird, kann auch diese Tumorerkrankung sehr gut therapiert werden.

Der gastroösophageale Reflux (GERD, Refluxösophagitis) als häufigste Erkrankung der Speiseröhre wird gesondert behandelt.

Achalasie

Achalasie ist eine seltene neurodegenerative Erkrankung der Speiseröhre mit einer Häufigkeit von 1-3/100.000 Fällen pro Jahr und einem Altersgipfel zwischen 20.-40. Lebensjahr. Unter Achalasie versteht man die fehlende oder unzureichende schluckausgelöste Erschlaffung des unteren Verschlussapparates zwischen Magen und Speiseröhre (unterer Ösophagussphincter oder LES). Das klingt komplizierter als es ist. Unter normalen Umständen löst ein Bissen, der im Mund zerkleinert wurde und dann geschluckt wird, neben einer sogenannten koordinierten Peristaltikwelle, die die Speisen vom Schlund in Richtung Magen befördert, auch eine Öffnung des unteren Ösophagusphincter bei Beginn des Schluckvorgangs aus. Wenn diese Öffnung nicht oder unzureichend erfolgt, können die Speisen nicht oder nicht vollständig in den Magen gelangen und es bleibt ein Teil in der Speiseröhre liegen. Dieser Teil kann entweder im besten Fall durch Nachschlucken in den Magen befördert werden oder durch Nachtrinken. Falls das nicht klappt, kommt es zum Erbrechen bzw. Hochwürgen. Im schlechtesten Fall muss ein Stück, das nicht mehr mobilisiert werden kann, durch den Arzt entfernt werden.

Eine Achalasie hat unterschiedliche Ursachen, kann primär, im Rahmen einer Systemerkrankung auftreten oder, deutlich häufiger, sekundär/funktionell im Rahmen einer seit Jahren bestehenden und nicht adäquat diagnostizierten oder unzureichend behandelten Refluxerkrankung bei einer peptischen Stenose entstehen. Auch nach einer Operation an der Speiseröhre kann eine Achalasie entstehen (iatrogene Achalasie). Je nach Ausprägung der Pathologie und je nachdem, wie lange die Erkrankung besteht, kommt es dann sekundär zu einer Bewegungsstörung der Speiseröhre, in weiterer Folge zu einer Ausweitung und schließlich zu einem kompletten Erliegen der Peristaltik. In diesem Zustand ist es fast unmöglich Nahrung zuzuführen. Hauptsymptom ist die Schluckstörung (Dysphagie), allerdings kann in bis zu 40% die Regurgitation (Zurückfließen von unverdauter Nahrung) das erste Symptom sein.

Die Diagnostik erfolgt über genaue Erhebung der Krankengeschichte, Gastroskopie, Manometrie und Videokinematographie

Die Therapie erfolgt über Dehnung im Zuge einer Gastroskopie, über Botoxinjektionen des LES im Anfangsstadium, über ein endoskopisches Verfahren bei dem die Ringmuskelfasern über eine lange Strecke bis in den oberen Magenanteil gespalten werden (sog. POEM: perorale endoskopische Myotomie) oder operativ. Bei der letzteren Technik, genannt laparoskopische Cardiomyotomie nach Heller, werden minimal invasiv ebenso die Ringmuskelfasern des oberen Magenanteils bis rd. 10cm der unteren Speiseröhre gespalten.

Die Deckung des entstandenen Defekts wird mit einer Fundoplikatio nach Toupet (hintere 270 Grad Manschette) oder besser mit einer vorderen Hemifundoplikatio nach Dor gedeckt. Damit ist auch gleichzeit eine sehr häufig simultan bestehende Refluxkomponente mitbehandelt.

Am effektivsten ist der operative Eingriff. Die Lebensqualität kann nachhaltig deutlich verbessert werden. Nach einer kurzen Phase des Kostaufbaus können die Patienten im Allgemeinen nach 2-3 Tagen das Spital wieder verlassen und führen ein ganz normales Leben.

Andere Erkrankungen wie Divertikel der Speiseröhre (Zenkerdivertikel, epiphrenisches Divertikel, …) oder Schatzkiring sind selten.

Gutartige Tumore

Sind selten und es gibt eine ganze Reihe verschiedener Entitäten. Zumeist jedoch handelt es sich um Leiomyome. Deutlich häufiger kommen  bösartige Speiseröhrentumore (malignes Ösophaguskarzinom) vor.

Speiseröhrenkrebs – Ösophaguskarzinom - Plattenepithelkarzinom

Das Ösophaguskarzinom (bösartiger Tumor der Speiseröhre) ist eine seltene Erkrankung. Am häufigsten sind Männer jenseits des 55. Lebensjahres betroffen. Man unterscheidet auf Grund des feingeweblichen (histologischen) Bildes zwei verschiedene Formen: das immer seltener werdende Plattenepithelkarzinom – meist in den oberen 2/3 der Speiseröhre lokalisiert und das deutlich an Frequenz zunehmende Adenokarzinom – meist im unteren Drittel lokalisiert.

Als Hauptursachen für das Plattenepithelkarzinom gelten fettreiche Nahrung ebenso wie protein- und kalorienarme Kost. Auch sehr heiße Speisen oder Getränke, Alkoholkonsum, Nitrosamineinfluß und Rauchen sind als Risikofaktoren für diese Art von Krebs gesichert.

Barrett, Barrettösophagitis, Barrettkarzinom

Für das Adenokarzinom ist nicht oder unzureichend behandelter gastroösopahgealer Reflux (GERD – Zurückfließen von sauren und galligen Mageninhalt in die Speiseröhre) verantwortlich. Bei jahrelang bestehendem Reflux kann es auf Grund von chronischer Schädigung der Schleimhaut der Speiseröhre nach unterschiedlich langer Zeit zu Zellveränderungen am Übergang von Magenschleimhaut zur Schleimhaut der Speiseröhre kommen. Es entsteht eine Krebsvorstufe (Präkanzerose) der sog. Barrett Ösophagus. Aus dem Barrettösophagus ohne Dysplasien entsteht nach Jahren über low und high grade Dysplasien ein Ösophaguskarzinom (Speiseröhrenkrebs). Dieser Prozess erfolgt statistisch gesehen in Analogie zur Entwicklung eines Polypen (Adenom) im Darm in Darmkrebs (Kolonkarzinom). Die zeitlichen Angaben sind unterschiedlich, wobei in den letzten Veröffentlichungen in der Fachliteratur die Entstehungszeit eines bösartigen Speiseröhrentumors aus einem Barrett ohne Dysplasien mit 3 Jahren1 angegeben wird. Es ist somit essentiell, den Reflux als auslösende Ursache für den Barrett und den Barrettösophagus selbst adäquat und ausreichend zu behandeln. Je nach Dysplasiestadium sind lokale Verfahren mit Zerstörung des Barrett (Radiofrequenzablation) oder moderner mit Resektion der Barrett tragenden Schleimhaut endoskopisch (EMR – endoskopische Mukosaresektion) oder bei fortgeschritteneren Stadien eine ESD (endoskopische submukosale Dissektion) oder aber auch eine chirurgische (Teil-) Entfernung der Speiseröhre (Ösophagusresektion) vorzunehmen.

Nicht oder nicht ausreichend gut behandelter (gemischter) Reflux ist der stärkste Risikofaktor für Speiseröhrenkrebs!

1 J. Theisen et al. Chronology of the Barrett's metaplasia - dysplasia - carcinoma sequence. Diseases of the Esophagus (2004) 17, 67-70

Der Zusammenhang von Reflux, Barrett und höherer Sterblichkeitsrate, verglichen mit der Population ohne Reflux, ist in dieser Studie zusammengefasst:

Masoud Solaymani-Dodaran. Mortality Associated With Barrett's Esophagus and Gastroesophageal Reflux Disease Diagnoses-A Population-Based Cohort Study. Am J Gastroenterol, 100 (12), 2616-21, Dec 2005