Darmkrebs, Dickdarmkrebs, Mastdarmkrebs, Kolonkarzinom, Kolorektales Karzinom, Rektumkarzinom

Mit einer Inzidenz von 15-25 pro 100.000 Einwohner im Jahr in Westeuropa mit einem Altersgipfel von 70-75 Jahren ist das kolorektale Karzinom die zweithäufigste Krebstodesursache, sowohl bei Männern, als auch bei Frauen.

Zu den exogenen Risikofaktoren zählen ein Lebensalter über 50 Jahre, fettreiche und ballaststoffarme Ernährung, Adipositas, Bewegungsarmut und niedriger sozioökonomischer Status. Zu den endogenen Risikofaktoren gehören tubuläre und villöse Adenome, Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, Zustand nach Dickdarmkarzinom, gynäkologische Tumorerkrankungen, positive Familienanamnese, genetische Prädisposition und Strahlencolitis.

Die mittlere Dauer der Adenom-Karzinom-Sequenz beträgt etwa zehn Jahre. Das Entartungsrisiko von Adenomen ist abhängig von der Größe (> od. < 1cm) und der Histologie. Nach Abtragung eines Adenoms beträgt das Risiko der Entwicklung eines neuen Adenoms ca. 50%.

Im Frühstadium finden sich keine oder nur unspezifische Symptome. Zu den klassischen Leitsymptomen zählen die Änderung der Stuhlgewohnheiten, häufig mit Wechsel von Obstipation und Diarrhoe, Tenesmen, unwillkürlicher Stuhl- und Windabgang, Bleistiftstuhl, Blut- und Schleimabgang. An zusätzlichen Symptomen können abdominelle Schmerzen, Ikterus, Gerinnungsstörungen, Aszites, chronische Anämie und Gewichtsverlust auftreten.

Mit Vorsorgeuntersuchungen sollte ab dem 50. Lebensjahr begonnen werden. Zu den üblichen Untersuchungsmethoden zählen die rektale Untersuchung, der Hämokkulttest, vor allem die Koloskopie (= Darmspiegelung) mit der höchsten Sensitivität und dem großen Vorteil der Diagnosesicherung durch Biopsie und der Therapiemöglichkeit durch Polypabtragung oder Mukosektomie, die bei negativem Befund alle fünf (bis zehn) Jahre zu wiederholen ist. Bei Risikopatienten müssten die Untersuchungsintervalle enger angesetzt werden.

Regelmäßige Darmspiegelungen retten Leben!

Die Detektionsrate für signifikante Adenome und Karzinome beträgt beim Hämokkulttest 24%, bei der Sigmoidoskopie 70% und bei der Kolonoskopie 100%. Die Doppelkontrastirrigoskopie kommt mittlerweile nur mehr selten bei inkompletter Kolonoskopie, insbesondere wenn ein Tumor mit dem Gerät nicht passierbar ist, zum Ausschluss von Zweitläsionen zur Anwendung.

Neue Möglichkeiten der Vorsorgeuntersuchung umfassen (die virtuelle Kolonoskopie, die CT- oder MR-Kolonographie,) immunchemische Tests für okkultes Blut im Stuhl, Stuhltests für genetische Mutationen, Bluttests und in weiterer Folge können auch über genetische Profile Riskokonstellationen bestimmt werden. Die Optimierung der Endoskopie mittels high definition Geräten, Zoom, Fluoreszenz und Chromo-Endoskopie, sowie narrow band imaging und pit pattern findet bereits breite Anwendung.

Ergänzende Untersuchungen sind beim gesicherten Karzinom notwendig, um das Stadium der Erkrankung abzuschätzen und um den Einsatz multimodaler Therapiekonzepte (Radiotherapie, Chemotherapie) bei fortgeschrittener Erkrankung mit dem Ziel, die Chancen für eine kurative Operation und die Wahrscheinlichkeit des Kontinenzerhalts zu verbessern, zu ermöglichen. Am Ende des Tages geht es darum sowohl das krankheitsfreie Überleben (disease-free survival), als auch das Gesamtüberleben (overall survival) zu verbessern.

  • Computertomographie von Abdomen und Thorax, zur Evaluierung der Metastasenfreiheit (Staging). Bei unklarem Befund ist eine ergänzende MRT der Leber sinnvoll.
  • Bestimmung von Tumormarkern (CEA, CA 19-9)
  • MRT des Beckens: beim Rektumkarzinom, zur Abschätzung der lokalen Ausbreitung und des Befalls lokaler Lymphknoten (Staging)
  • Endorektalsonographie: gleiche Indikation wie MRT, allerdings weniger aussagekräftig im oberen Rektumdrittel
  • Sphinktermanometrie vor intersphinktärer oder koloanaler Anastomose
  • Ideale ergänzende Untersuchungen sind der PET-Scan zum Ausschluss von konventionell-bildgebend nicht darstellbaren Fernmetastasen und die intraoperative Lebersonographie.

Bis zu 80% entstehen kolorektale Karzinome (CRC) aus sog. Adenomen (Darmpolypen, die sich umwandeln in Darmkrebs). Die übrigen 20% entstehen spontan oder sind erblich bedingt (FAP, HNPCC; Lynch-Syndrom). Auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulzerosa bewirken eine bis 60-fache Erhöhung der Entstehungsrate von Darmkrebs. Neue Studien haben interessanterweise gezeigt, dass 2 Bakterienstämme, die normalerweise nicht oder nur vereinzelt im "gesunden" Mikrobiom des Darms (Summe der Bakterien im Darm) vorkommen, maßgeblich für die Entstehung von Darmkrebs verantwortlich sind. Andere Bakterienstämme im Darm sind jedoch protektiv, also schützend vor Darmkrebs.

Kolorektale Karzinome sind makroskopisch meist exophytisch zirkulär langsam wachsende, polypöse, oft zentral schüsselförmig ulzerierte Tumore mit guter Abgrenzung. Die Metastasierung des Kolorektalkarzinoms erfolgt in der Regel hämatogen, hauptsächlich in Lymphknoten und Leber, gefolgt von Lunge, Knochen und selten Gehirn, während sich das Rektumkarzinom vorwiegend lymphogen ausbreitet, zum Beispiel als Lokalrezidiv, Peritonealkarzinose oder Kreuzbeininfiltration. Beim tiefsitzenden Rektumkarzinom ist durch Umgehung des Pfortaderabflusses eine primäre Lungenmetastasierung möglich.

Bei etwa 50 Prozent der Patienten entwickeln sich Lebermetastasen, welche die Haupttodesursache dieser Karzinomerkrankung darstellen. In nur 10 bis 20 Prozent der Fälle ist eine primäre kurative Resektion der Lebermetastasen möglich. Die Rezidivrate nach kurativer Resektion von Lebermetastasen liegt jedoch bei 70 bis 75 Prozent. Aber: Resektion von Lebermetastasen ist sinnvoll und bringt einen Überlebensvorteil. Auch bei Lokalrezidiven ist im Falle einer Operabilität nach vorangegangener Chemotherapie eine neuerliche Operation sinnvoll.

Grundsätzlich ist die chirurgische radikale Resektion die einzige kurative Therapie des kolorektalen Karzinoms. Die kurative Resektion erfordert einerseits die komplette Entfernung des Tumors in toto – eventuell unter Mitentfernung adhärenter Organe (sog. multiviszerale Resektion) – ohne Eröffnung desselben, andererseits die Unterbindung des Lymphabflussstromes durch en-bloc-Lymphadenektomie und trunkuläres Absetzen der Gefäße in no touch technique mit vorerst Ligatur der Gefäße (und evtl. Ligatur des Darmes distal und prox. des Tumors) und im Anschluss Darmresektion, um eine Aussaht zu verhindern.

Von Seiten des intramuralen mikroskopischen Tumorwachstums ist ein Sicherheitsabstand von 2 cm ausreichend. Allerdings geht das regionäre Lymphabflussgebiet weit über diesen Bereich hinaus, die Lymphknotenmetastasierung erfolgt nach zentral entlang der versorgenden Gefäße, primär entlang der perikolischen Gefäßarkaden bis zu 10 cm vom makroskopischen Tumorrand entfernt. Damit der Tumor gemeinsam mit dem regionären Lymphabflussgebiet en bloc entfernt werden kann, muss die Resektion am Dickdarm entsprechend großzügiger durchgeführt werden. Liegt der Primärtumor zwischen zwei zentralen Gefäßen, müssen beide entfernt werden, dabei orientiert sich das Ausmaß der Resektion am Versorgungsgebiet der radikulär durchtrennten Gefäße (mind. 10 cm beidseits des Tumors). Dementsprechend hängt bei der radikalen chirurgischen Therapie des Kolonkarzinoms das Resektionsausmaß wesentlich von der Tumorlokalisation ab ((erweiterte) Hemicolektomie rechts und links, Sigmaresektion).

Die Chirurgie des Rektumkarzinoms umfasst neben der Resektion des Primärtumors im Gesunden die partielle oder totale Entfernung des Mesorektums (TME - totale mesorektale Exzision) und damit des regionären Lymphabflussgebietes. Eine mesorektale Ausbreitung von bis zu 3-4 cm distal des Tumors (Satelliten)  konnte in ca. 20-31% diagnostiziert werden, weswegen das Mesorektum bis mindestens 5 cm distal des Tumorunterrandes mitentfernt werden sollte. Das bedeutet für das Karzinom des mittleren und unteren Rektumdrittels die komplette Entfernung und für das Karzinom des oberen Rektumdrittels die partielle Exzision des Mesorektums und erfolgt durch scharfe Dissektion entlang anatomischer Strukturen zwischen Fascia pelvis visceralis und parietalis - Dennonvillier (= totale mesorektale Exzision – TME nach Heald). Die Faszie sollte komplett und unverletzt bleiben. Die autonomen Beckennerven sollten im Sinne der nerve sparing technique geschont werden. Weiters ist am Darmrohr die Einhaltung eines entsprechenden Sicherheitsabstandes von mindestens 2 cm zum Tumor für eine Resektion nach onkologischen Gesichtspunkten notwendig. Die aortennahe Absetzung der A. mesenterica inferior dient der Entfernung des regionären Lymphabflussgebietes nach proximal.

Die lokale chirurgische Tumorexzision (transanal) beim Rektumkarzinom im Sinne einer Vollwandexzision wird als alleinige therapeutische Maßnahme unter kurativer Zielsetzung bei pT1-Karzinomen (= Infiltration der Submucosa) mit einem Durchmesser nicht größer als 3 cm, gutem oder mäßigem Differenzierungsgrad (G1/2), fehlender Lymphgefäßinvasion und Erreichen von histologisch verifizierten tumorfreien Resektionsrändern (= R0) als onkologisch ausreichend angesehen. Dabei wird die gesamte Rektumwand mit einer Sicherheitszone von 1 cm zum Tumor entfernt. Bei T1-Karzinomen mit schlechtem Differenzierungsgrad (G3/4) und/oder Lymphgefäßinvasion sowie bei T2- Karzinomen liegt die Lymphknotenmetastasierungsrate bei 10-20 %, sodass die alleinige chirurgische lokale Exzision ohne mesorektale Resektion nicht mehr empfohlen werden kann.

Zu den rezenten Fortschritten der operativen Technik zählen die laparoskopische Resektionstechnik, die TaTME, die TAMIS und die elektive chirurgische Metastasektomie. Die Resektion von Kolonkarzinomen wie auch Rektumresektionen und -exstirpationen sind heute aufgrund des entwickelten technischen Instrumentariums laparoskopisch (assistiert) entsprechend onkologischen Kriterien durchführbar. Bei technisch schwierigem Beckenakt sind Hybridoperationen möglich und auch sinnvoll. Bei allen laparoskopischen Resektionen sollte präoperativ eine Farbmarkierung des Tumors mit Tusche vorgenommen werde, da die Orientierung leichter ist und die taktile Komponente wegfällt.

(Neo)Adjuvante Therapiekonzepte/multimodale Therapie

Derzeit gibt es keine Evidenz für die adjuvante Behandlung von Patienten mit Tumoren im Stadium II, außer es handelt sich um eine Hochrisikokonstellation wie z.B. L1, V1, G3/4. Etabliert ist die adjuvante Chemotherapie der lymphknotenpositiven kolorektalen Karzinome (Dukes C oder UICC Stadium III), mit dem Ziel der Verbesserung der Rezidivfreiheits- und Gesamtüberlebensrate, weiters die präoperative Kurzzeitradiotherapie zur Lokalrezidivvorbeugung bei T3-Rektumkarzinomen und/oder im Stadium III.

Bei lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom ermöglicht eine kombinierte präoperative Radiochemotherapie häufig ein „Downstaging“ und damit eine bessere Resektabilität, bzw. bei distal gelegenen Tumoren eventuell einen sphinctererhaltenden (kontinezerhaltenden) Eingriff. Im Stadium III des Rektumkarzinoms wird die Indikation für eine postoperative adjuvante Chemotherapie aufgrund der relativ hohen Fernmetastasen-Rezidivrate (40%) großzügig gestellt. Die früher verwendete postoperative Radiotherapie zur Rezidivprophylaxe beim Rektumkarzinom wird heutzutage zugunsten neoadjuvanter Strahlentherapieregimes aufgegeben. Die kombinierte postoperative Radiochemotherapie wird in Europa eher nur mehr bei inadäquater Operation eines Rektumkarzinoms oder bei hoher Rezidivrisikokonstellation (Stadium III) ohne präoperativ erfolgter Radiatio erwogen. Die Kurzzeit- und Langzeitbestrahlung haben fast idente biologische Strahlenwirkung bei höherer postoperativer Komplikationsrate im Fall der Langzeitbestrahlungen. Im neoadjuv. setting besteht die Tendenz zu mehr Kurzzeitbestrahlung, wobei es auch bei der Kurzzeitbestrahlung zum downsizing und downstaging kommen kann. Ebenso kann eine Operation wesentlich früher erfolgen (darauffolgende Woche) und wäre auch somit in speziellen Fällen im Stadium IV anwendbar.

Beinahe 50 Jahre lang galt 5-Fluoruracil (5-FU) als die wichtigste Substanz in der zytostatischen Behandlung des kolorektalen Karzinoms. Mittels Zusatz von Folinsäure (Leukovorin) konnten höhere Ansprechraten erreicht werden. Durch die Entwicklung neuer Substanzen, wie der oralen Fluoropyrimidine Capecitabine (gleiche Wirkung wie 5-FU+Leukovorin bei besserer Verträglichkeit), der Topoisomerase-I- interaktiven Substanz Irinotecan und des Platinanalogons Oxaliplatin konnten die Therapieoptionen entscheidend verbessert werden. Die Zulassung der monoklonalen Antikörper VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor), Bevacizumab, und EGFR (Epidermal Growth Factor Receptor), Cetuximab, brachte eine Erweiterung des therapeutischen Armentariums vorerst im palliativen und pseudoneoadjuvanten setting.

In der Erstlinientherapie (palliativ, pseudoneoadjuvant) sollte in der Regel die effektivste Kombination zum Einsatz kommen, d.h. Kombinations- Chemotherapie plus monoklonaler Antikörper. Durch die hohen Ansprechraten, welche dank der modernen Zytostatika in Kombination mit monoklonalen Antikörpern realisiert werden können, sind in etwa 25-30% aller Patienten mit selektiver Lebermetastasierung ein Downsizing und potentiell kurative Resektion möglich. Seit Etablierung eines interdisziplinären Therapiekonzeptes besteht nun erstmals auch für Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom eine Chance auf dauerhafte Heilung.

Die Nachsorge dient der Behandlung von Operationsfolgen, der Erfassung von Tumorrezidiven und zur Beurteilung der Therapie-Ergebnisse. Die 5-Jahres-Überlebensrate kann durch ein entsprechendes Nachsorge-Programm auf 76% verbessert werden. Die Nachsorgeuntersuchungen und Intervalle werden nach internationalen Kriterien vorgenommen.

Nachsorgenotwendigkeit in Abhängigkeit
vom UICC-Stadium 

Patienten mit kolorektalem Karzinom im UICC-Stadium I haben nach kurativer R-0 Resektion eine gute Prognose. Die Rezidivrate für UICC I a (pT1-Tumoren) liegt bei 4 %, für UICC-Stadium I b (pT2-Tumoren) liegt bei 13 %. Das Gesamtüberleben in dieser Gruppe ist mit 86% sehr gut und erlaubt eine weitmaschigere Nachsorge. Eine engmaschigere Nachsorge kann aber auch in dieser Tumorgruppe bei Annahme eines höheren Rezidivrisikos indiziert sein, wenn z. B. eine intraoperative Tumoreröffnung erfolgt ist oder eine Invasion perikolischer Venen, angiolymphatische Invasion, G3 oder G4 Tumoren vorliegen.

TNM-Klassifikation

UICC-StadiumTNM
0TisN0M0
IT1, T2N0M0
IIAT3N0M0
IIBT4N0M0
IIIAT1, T2N1M0
IIIBT3, T4N1M0
IIICJedes TN2M0
IVJedes TJedes NM1

Nach R-0 Resektion von kolorektalen Karzinomen des UICC-Stadiums II und III sind regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen indiziert (siehe Tabelle).

Nachsorge Untersuchungen bei UICC II oder III Tumoren
(entsprechend den Deutschen Leitlinien)

UntersuchungMonate
 3691215182124364860
Nachsorge Untersuchungen bei UICC II oder III Tumoren X X X XXXX
Koloskopie X*      X**  
Abdomensonographie*** X X X XXXx
Sigmoidoskopie (Rektoskopie) **** X X X XX  
SpiralcomputertomographiexX          
Röntgen Thorax (kein Konsens)           

* wenn keine vollständige Koloskopie präoperativ erfolgt ist.
** bei unauffälligem Befund (kein Adenom, kein Karzinom) nächste Koloskopie nach 5 Jahren.
*** eine Metaanalyse ergab einen Vorteil für ein bildgebendes Verfahren zum Nachweis von Lebermetastasen in der Nachsorge. Aus diesem Grund entschied sich die Expertenkommission, das einfachste und kostengünstigste Verfahren anzuwenden.